Rechts sind Bäume,
links sind Bäume,
und dazwischen Zwischenräume.
In der Mitte fließt ein Bach!
Ach!
Kurt Tucholsky
Der letzte Blog lautete „Im Davor und Dazwischen“ und behandelte Schwellen und Schwellenräume. Hinter diesen Schwellen verbergen sich nicht nur die erwarteten Räume, sondern auch solche die sich nicht sofort erschließen. Wege und Gänge, Zwischenräume, Übergangsräume, Umräume, Vorräume, Leerräume. Gleiches im Innenraum von Gebäuden wie im urbanen Außenraum. Diese Räume haben wichtige Funktionen, die sich zu erkennen und zu gestalten anbieten.
Bevor wir einen Raum betreten oder nachdem wir einen Raum verlassen, passieren wir oft einen Zwischenraum, ein Raum der nicht wirklich zum Innenraum und nicht zum Außenraum gehört. Ein Zwischenraum also. Aber warum gibt es ihn? Kann man ihn spüren? Ist er die Leere zwischen den Räumen oder die Füllung? Hat er Bedeutung als zwischenmenschlicher Abstand? Wie sind sie entstanden? Zwischenraum, Übergangsraum und Leerraum sind dehnbare Begriffe. Man darf sie suchen. Findet man sie, ist es überraschend, wie wichtig sie sind!
Örtliche Vermittlungen
Zwischen den Räumen liegt oftmals ein vages, opakes und leeres „Dazwischen“. Es wird als eine Leerstelle, ein Transitbereich (Passage), eine Diskontinuität, ein „Nicht-Ort“ (im Sinne von Marc Augé) definiert, in dem Relationen, Geschichte und Identität praktisch nicht existieren, dafür aber Einsamkeit schaffen.
Wir alle kennen sie, die langen Gänge und Flure, die Zwischen- und Übergangsräume, die unbenannten Nebenräume in unseren Gebäuden. Oft karg möbliert, in jedem Fall nicht gestaltet oder moderiert. Oder mit keiner oder einer nicht adäquaten Funktion versehen. Eine Steigerung wären ungenutzte oder gar vergessene Räume. Der Extremfall sind Lost Places, die auf eine neue spannende Nutzung warten.
Zwischenräume sind auch Räume
Als Übergänge liegen sie zwischen Objekten oder Ereignissen, denen unsere Hauptaufmerksamkeit gilt. Sie haben etwas Verbindendes oder Trennendes, aber keine eigene Botschaft. Sie dienen dazu, eben „Wichtiges“ besser unterscheidbar zu machen und als etwas Eigenständiges zu erkennen. Meistens. Die Leere kann aber auch bewusst zur Botschaft werden. Der Zwischenraum wird vom Hintergrund zum Vordergrund. Und damit zum Gestaltungsmittel!
Funktionelle Beförderung von Räumen
Meist ist den Zwischen- und Übergangsräumen eine adäquate Funktion versagt. Als Beispiel: ein Gang oder Flur hat die Funktion der örtlichen Vermittlung von Räumen. Ein Geh-Raum also, das ist zugegebenermaßen eine wichtige Funktion. Hier begegnen sich Menschen und tauschen sich aus. Gang und Flur könnten also auch Örtlichkeiten der Begegnung und Kommunikation sein. Dazu müssten diese Übergangsräume aber unterstützend gestaltet werden. So eine Gestaltung könnte als funktionelle Beförderung bezeichnet werden. Und macht aus informellen Strukturen in Unternehmen gewollte und moderierte Wirkungen.
Ungenutzt und vergessen
Eine Steigerung wären ungenutzte oder gar vergessene Bereiche oder ganze Räume. Es braucht nicht viel, um aus einem ungenutzten Raum einen Relaxraum zu machen. Oder für einen kurzen Stehkaffee mit Kolleg.innen, die man sonst nie im Unternehmen treffen würde. Das Potential von kreativem Austausch, der sich so ermöglichen würde, braucht nicht extra ausgemalt zu werden!
Leerräume sind selten leer
Räume sind nie leer. Sie sind gefüllt mir Atmosphäre und Lebenskraft. Für den Lebenskraftfluss und den Aufbau von Atmosphäre braucht es die Leer-, Zwischen- und Übergangsräume essentiell. Das klingt jetzt rätselhaft!
Lebenskraft folgt der Aufmerksamkeit, wie wir wissen. Und bietet unbewusste Orientierung und Sicherheit. Sie gelangt in das Gebäude durch den Eingang und versorgt die Räume über die Gänge und Fluren. Dieser Lebenskraftfluss kann behindert oder gar blockiert sein. Oder frei fließen! Es hängt von uns ab, wie wir unsere Räume gestalten und uns damit auch mit Kraft und Energie versorgen.
Obacht bei der Gestaltung
Bei der Gestaltung von Leere, Zwischenraum und Übergang ist Achtsamkeit geboten! Es könnten sich dort wichtige Punkte der Örtlichkeit befinden, wie die Mitte oder verschiedene Resonanzpunkte des Gebäudes. Diese sollten jedenfalls aktiv in die Gestaltung miteinbezogen werden, zum Vorteil für das Gebäude und die Menschen, die sich darin aufhalten.
Bei der Mitte hatten wir das Thema schon mal: Leere Mitte versus gefüllte Mitte. Gestalterisch gefüllt mit einem Thema, das gerade von Bedeutung ist.
Der Innenraum des Menschen
Das innere Befinden und die äußeren Begebenheiten stehen immer in einer Wechselbeziehung. Es ist nicht möglich sofort zu wissen, woher ein Unwohlsein kommt, sondern wie wir damit umgehen.
Der erste Schritt ist somit die Entscheidung, sich für einen Moment zurückziehen zu können, um innerlich still zu werden. Es gilt eine Unterbrechung des gegenwärtigen Geschehens im Außen zu bewirken, um wahrzunehmen, was gerade im Inneren geschieht. Zu beobachten, wie man sich fühlt und was gerade im Außen geschah. Dabei ist es entscheidend zu wissen, was wir für unser Wohlbefinden, für unsere innere und äußere Balance brauchen.
Begegnung und Kommunikation
Neben dem Rückzug gibt es die Interaktion. Sie ist ebenso wichtig und genauso wenig realisierbar in unseren betrieblichen, oft auch privaten Räumlichkeiten.
Zwischenräume als Rückzugsräume sind gestalterisches Neuland, wie auch Zwischenräume als Orte der Begegnung und Kommunikation. Eine kreative und lustvolle Gestaltung kann aus Zwischen- und Leerräumen genau die Orte für elementare Bedürfnisse nach Rückzug und Interaktion in unseren dichten Wohn- und Arbeitsräumen schaffen.
Pausenräume nicht nur zu Mittag
Die Pause ist förderlich für informelle Beziehungen und Kommunikation. Auch das Essen ist nicht nur eine funktionelle, sondern vor allem auch eine sinnliche Tätigkeit. Es braucht geeignete Räume dafür, Räume zum Erholen und Regenerieren oder für das PowerNapping. Sie sollten etwa 20% der Bürofläche umfassen. Viel? Ich denke nicht. Und wenn man sie nicht gestaltet, gestalten sie sich selber.
Umräume und Umfelder
Als wohnungsnahe Außenräume verschaffen Terrassen, Balkone und Loggien genauso wie Zugänge, Vorgärten und Hinterhöfe einen Zugang zu dem, was Planer verharmlosend als „Wohnumfeld“ bezeichnen und damit zum Beiwerk des umbauten Raums machen. In Wirklichkeit sind diese Umräume und Umfelder mitentscheidend für die Qualität der eigentlichen Wohn- und Arbeitsräume. Die Auseinandersetzung mit dem umgebenden Außenraum als Brücke zwischen Wohnung und Dorf oder Stadt ist mitentscheidend für die Lebensqualität.
Nichts ist Grundlage für Etwas
Jedes schöne Bild hat ein breites Passepartout mit viel Nichts rundherum. In der Architektur finden wir das nur im repräsentativen Bereich, nicht so sehr im funktionalen. Es braucht das Nichts damit viel entstehen kann. Das erkannte Elmar Schenkel mit seiner Sicht auf Gedankenräume:
Kreativität kommt nicht aus einem Gedanken,
sondern aus dem Zwischenraum
zwischen zwei Gedanken.
Elmar Schenkel
Mag. Wolfgang Strasser
A-4040 Linz, Leonfeldner Straße 94d
+43 (0)664 / 4053748
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