Über- und Unterbewusstes

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Keller und Dachboden denken mit

Wäsche waschen, Kartoffeln lagern und Partys feiern, das war einmal. Heute werden die Räume über unseren Köpfen und unter unseren Füßen anders genutzt – oder ganz weggelassen. Der Keller aus finanziellen, der Dachboden aus stilistischen Gründen. Aber fehlen die Räume dann nicht? Was heißt „Gedächtnis des Ortes“ und was passiert, wenn Dachboden und Keller ausgeräumt und zu Wohnräumen ausgebaut werden? Oder wenn gänzlich auf die zwei Geschosse verzichtet wird?

Das Kommen und Gehen von Dach und Keller

Dachboden und Kellerräume haben eine rege Biografie in der Baugeschichte. Und sie haben mehr miteinander zu tun, als man gemeinhin annimmt. Die entgegengesetzten Enden des Hauses waren lange Zeit notwendige Wirtschaftsflächen. Hier wurde gelagert, was zur Versorgung eines Hauses oder Hofes notwendig war. Die Bauphysik der Räume lieferte die notwendigen Voraussetzungen.

Gedächtnis des Ortes

Als dies nicht mehr notwendig war, wurden sie zu Reserveflächen, in denen weggesperrt und abgelegt wurde. Was sich genau in Kisten und Truhen verbarg, zeigte sich oft erst, wenn die Hinterlassenschaften ganzer Generationen nach dem Tod der Erbtante auftauchten. Keller und Dach bildeten das Gedächtnis des Ortes, Kubikmeter für Kubikmeter Vergangenheit.

Ausbau und neue Nutzung

Altes aufzubewahren verlor an Wert und wurde zur Platz­ver­schwendung. Das Wohnen entschlackt sich. Ausgetrieben wird, was gerade nicht wichtig scheint. Ebenso wie das Dubiose. Das Dach­geschoss wurde zu Wohnräumen ausgebaut und in den Keller zogen Party und Sauna neben Wasch­küche und Haustechnik ein. Die Restflächen wurden zu vollwertigen Wohn- und Arbeitsräumen.

Kosten und Verzicht

Neue Häuser werden in der Regel mit Flachdach gebaut, der Dachboden entfällt. Zunehmend wird aus Kostengründen auch auf den Keller verzichtet. Wellness zieht in das Bad ein, die Haustechnik in die Garage, Wirtschafts- und Werkraum werden vergrößert und mit Lagerflächen ausgestattet. Eine Entwicklung, die mehr Wohnqualität bietet, aber auch mehr Landverbrauch zur Folge hat.

Analogie des (Un-) Bewussten

Was heißt „Gedächtnis des Ortes“ und was passiert, wenn Dachboden und Keller ausgeräumt und zu Wohnräumen ausgebaut werden? Oder wenn gänzlich auf die zwei Geschosse verzichtet wird?

Vorbewusstes

Es ist schon interessant, wie das Bild des Hauses auch bei den Klassikern der Psychoanalyse benutzt wird, um in tiefere Schichten abzusteigen. Im metaphorischen Keller unseres Vorbewussten wird abgeladen, was weiter oben – also in reflektierten Schichten – keinen Platz hat oder schlicht verdrängt wird. In Freuds Keller stapeln sich Ängste und Triebe, und Jung persifliert, dass sich das Bewusstsein nicht in den Keller hinunterwage.

Über- und Unterbewusstes

Dachboden und Keller sollten als Räume des Über- und Unterbewussten bezeichnet werden, in die Dinge in die Vergessenheit absinken, aber auch wieder an die Oberfläche des Wohnalltags gelangen können. Diese Räume gehören wesentlich zum Ort, ihre Bedeutung kann durch den direkten räumlichen Bezug nicht hoch genug eingeschätzt werden.

Die Höhenebenen des Hauses

Das Haus ist der Lebensraum seiner Bewohner und damit auch ein Teil deren Lebensweise. Das aber nicht nur physisch, sondern auf allen Bewusstseinsebenen. Das spiegelt uns ein Haus auch durch seinen Aufbau. Die Geschosse repräsentieren nämlich sehr eindrucksvoll die Bewusstseinsebenen der Bewohner. Ein Gang durch die Geschosse mag dies verdeutlichen:

Das Erdgeschoss

Das Parterre ist unsere unmittelbare Alltagsebene. Hier findet das Familienleben statt und hier empfangen wir unsere Gäste. Es symbolisiert die Gegenwart. Im besten Falle erleben wir hier sowohl Bewegung als auch geerdete Präsenz. Es ist das Geschoss der Sinne, Archetyp ist die Landschaft, Element die Erde. 

Das Untergeschoss

Der Keller oder Souterrains dienen als Basis und Versorgung unseres Alltags. Die Raum­psychologie ortet hier das Überleben, Instinkte und Triebe. Tiefgeschosse spiegeln das Unter­bewusste, das Seeli­sche und die Vergangenheit. Es ist das Geschoss der Intuition, Archetyp ist die Höhle, Element das Wasser.

Das Obergeschoss

Das Obergeschoss war in vornehmen Häusern die Beletage, heute ist es der Inbegriff unserer Privat­sphäre. Hier befinden sich unsere Privat- und Intimräume, die uns Schutz und Geborgenheit bieten. Und hier sind unsere Rückzugsräume, wenn der Alltag zu laut wird. Archetyp ist das Nest, Element das Feuer.

Das Dachgeschoss

Der Dachboden oder Mansarden dienen dem Schutz unseres Alltags. Die Raumpsychologie ortet hier die Potentiale, Kreativität und Geistigkeit. Dachgeschosse spiegeln das Überbewusste, das Geistige und die Zukunft. Es ist das Geschoss der Inspiration, Archetyp ist der Himmel, Element die Luft.

Biografie der Geschosse

In welchem Geschoss wir wohnen, sagt etwas über uns aus. Über die Aufgabe z.B., die wir in der aktuellen Lebensphase haben. Wenn wir die Biografie der von uns bewohnten Geschosse vom Elternhaus bis heute betrachten, können wir einen roten Faden erkennen. Oder Brüche darin.

Über den Autor:

Mag. Wolfgang Strasser ist Lebensraumberater und -coach, Unternehmens- und Kommunalberater. Mit RAUMIMPULSE berät er Menschen bei der Gestaltung ihrer Lebensräume.

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Mag. Wolfgang Strasser
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