Symbole und Zeichen der Volksarchitektur neu gedacht
Dem aufmerksamen Betrachter offenbaren sich bei der Betrachtung alter Häuser und Höfe eine Vielzahl von historischen Zeichen und Symbolen an Fassaden und in Wandnischen, auf Giebeln und Dachbalken. Sonnen, Rauten, Herzen und viele Symbole mehr finden sich an Fenstern, Türen und Toren. Was auf den ersten Blick dekorativ wirkt, trug zur Entstehungszeit tiefere Bedeutungen: Schutz vor Unheil, Abwehr böser Geister oder der Ausdruck von Wohlstand und Identität. Diese Traditionen sind in unserer modernen Architektur weitgehend verblasst. Ist das Thema nur mehr für Heimatforscher von Interesse? Oder können sie zeitgemäße Gestaltungselemente für Haus- und Hofbesitzer sein? Im folgenden Artikel wage ich den Versuch einer modernen Interpretation und Verwendung.
Bei Häusern, insbesondere Bauernhöfen aus früheren Zeiten, sind Symbole keineswegs nur Schmuck und künstlerischer Ausdruck unserer Volkskultur. Symbole greifen wesentlich tiefer. Sie sind Ausdruck von Spiritualität, Glaube, Hoffnung und Vertrauen auf ein gelungenes Leben von vielen Generationen. Diese waren eingebunden in ein kosmisches Geschehen.
Das Haus ist eine geistig-seelische Einheit, ein Holon. Mit der Errichtung der Mauer, der “Haut” wird es geschaffen, indem ein Bereich aus der unmittelbaren Einheit des Ortes herausgenommen wird. Dieser Raum wird dem Holon des Ortes entzogen. Deshalb waren traditionell eine Reihe von Maßnahmen erforderlich, um die Ortskräfte zu besänftigen und den Schutz der Grenze zu gewährleisten.

Schutz- und Segenszeichen – Schutz und Segen für Haus und Hof
Symbole an Häusern und Höfen sind zumeist sehr alt und hatten vielfältigste Aufgaben. Sie sollen das Haus und die Ernte schützen, das Böse abwehren, den Segen bringen sowie Gesundheit und Fruchtbarkeit fördern. Aber auch die Markierung des Eigentums, die Darstellung des ausgeübten Handwerks, die Stärkung von Land und Bewohner waren Anlässe für deren Manifestation durch Symbole.
Symbole haben die Energie und Information des Dargestellten. Beispielsweise hat ein Sonnentor die Information der Sonne, die alles Leben fördert. Die Symbole wurden auf der Fassade, an Fenster, Türen, Toren oder Zäunen, an Hausfirsten, Dachreitern oder Dachbalken verwendet. Niemand riskierte eine Bestrafung, wenn die Schutz- und Segensfunktionen der Symbole ignorierte wurden.
Schon während des Baus wurden verschiedene Symbole in das Holz eingelegt, um die Arbeiter, das Haus und die künftigen Bewohner zu schützen. Als Inspirationsquellen diente die umgebende Natur, die täglichen Aktivitäten und die Gestirne des Himmels. Jedes Element hatte eine schützende Funktion und wurde in dem Glauben geschnitzt, dass es die Bewohner besser vor den Übeln der Welt schützen würde.
Beispielhafte Symbole aus dem magischen Kulturerbe sind Sonne, Kreis, Spirale, Dreieck, Raute, Pentagramm, Kreuz, Pfeil, gedrehtes Seil, Zopf, Lebensbaum, Lebenssäule, Schlange, Wolfszahn, Widderhörner, Pferdekopf, Hahn, Pfau.
Symbole, die läutern und reinigen
Die Symbole wurden auch an den Toren gut hervorgehoben. In alten Zeiten war es der Mann, der hinausging – zur Arbeit, zum Markt oder in die Schlacht. Wenn er nach Hause zurückkehrte, ging man davon aus, dass er mit den Übeln der Welt, mit Krankheiten, Flüchen und Zaubersprüchen beladen gekommen war, und das Durchschreiten des symbolträchtigen Tores reinigte ihn. Erst dann, gereinigt vom Bösen, konnte er zu seiner Frau und seinen Kindern gehen.
Haus- und Hofmarken – Legitimation für Hab und Gut
Eine Haus- oder Hofmarke ist ein Eigentumszeichen, das an Gebäuden und Gegenständen zur Kennzeichnung angebracht wurde. Es entwickelte sich zu einem Markenzeichen, welches auf die Beziehung einer Person zu einem gezeichneten Gegenstand hinweist. Die Marke wurde innerhalb der Familie weitergegeben und bekamen Symbolcharakter der Sippe oder des Bauerngutes.
Genius und Anima Loci – die Persönlichkeit von Ort, Haus und Hof
Orte haben etwas Einzigartiges – eine besondere Ausstrahlung und Atmosphäre, eine Stimmung, die nicht nur mit ihrer Ästhetik in Zusammenhang gebracht werden kann. Es scheint ihnen ein besonderer „Geist“ inne zu wohnen, der auf unseren Geist eine große Wirkung ausübt. Und eine Beseeltheit, die auf unsere Seele einwirkt. Diese bildlich oder symbolhaft einzufangen und darzustellen, z.B. in Form einer Malerei, einer Plastik oder eines Symbols kann das Haus stärken.
Das Kosmogramm – Die Sprache mit der Erde
Das Kosmogramm ist genaugenommen kein Symbol, sondern eine Sprache. Es spricht über die Bewohner und über den Ort. Es wird in einem schöpferischen Prozess gemeinsam entwickelt und auf Steinen, wie z.B. auf dem Grundstein, einem Eckstein oder auf eine Steinsetzung eingraviert. So verbunden mit dem Lebensraum wird das Kosmogramm gleichsam zum „Wahlspruch“ der Bewohner, zur Leitidee eines erfüllten und harmonischen Lebens.
Haus- und Hofsymbole: Eine neue Integration
Es ist spannend, sich mit dem Ursprung und der Kultur- und Religionsgeschichte von Haussymbolen zu beschäftigen. Doch scheint es mir wesentlicher, welche Symbole wir heute an unseren Häusern verwenden können. Welche Symbole können unsere Lebensentwicklung fördern und den Lebensraum stärken?
Es geht darum, alte Bedeutungen zu entstauben, die Formen zu modernisieren und den emotionalen Wert neu zu kommunizieren. Dann könnten Schutzzeichen nicht nur ein Revival erleben – sondern sogar als eleganter, bedeutungsvoller Bestandteil moderner Architektur gefeiert werden.

1. Entkopplung von Esoterik und Aberglauben
Alte Haus- und Hofsymbole sind nicht nur „magische Schutzmittel“, sondern vor allem kulturelles Erbe, das schützenswert ist. Sie sind architektonisches und kulturhistorisches Storytelling, wenn man sich damit beschäftigt. Und ein Bekenntnis zur Geschichte von Schutz und Geborgenheit.
2. Name, Ort, Straße und Hausnummer
Das erste Beispiel klingt trivial, ist es aber nicht. Die Beschilderung dient nicht nur der wichtigen physischen Orientierung. Es hat auch Züge von Identität, vor allem, wenn die Schilder kreativ und hochwertig gemacht sind.
3. Beruf und Unternehmen
Eine zweite Orientierung bietet die Anbringung des Firmenschildes an der Einfahrt, am Gartentor oder neben der Haustür. Das ist wichtig, wenn der Firmensitz, das Büro oder die Praxis im Wohnhaus untergebracht sind. Die Kennzeichnung mit dem Logo stärkt das Unternehmen.
4. Ästhetische Abstraktion und minimalistische Neuinterpretation
Anstatt traditionelle Motive 1:1 zu übernehmen, können sie grafisch neu interpretiert werden: minimalistisch, geometrisch, abstrakt. Ein stilisierter Schutzstern kann wie ein modernes Logo wirken, ein Hauszeichen wie ein dezentes Branding-Element. Je abstrakter das Symbol, desto universeller wirkt es.
5. Personalisierung statt Allgemeinplätze
Wenn Symbole nicht „nur“ allgemeine Schutzzeichen sind, sondern persönliche Symbole, wird ihre Bedeutung modern: Ein eigens gestaltetes Familienzeichen, moderne Interpretationen der Sternzeichen der Familienmitglieder, ein minimalistisches Glückssymbol, ein individuelles Ornament für einen Neubau.
4. Storytelling und Emotionalisierung
„Symbolik ist der neue Luxus.“ – subtil, handwerklich hochwertig, kulturell bedeutungsvoll. Nicht: „Hier hängt ein Schutzzeichen gegen Geister.“ Sondern: „Unser Haus begrüßt Sie mit einem Symbol für Schutz, Geborgenheit und Licht.“
6. Tattoos für Häuser
Wenn bekannte Künstler.innen oder Designer.innen alte Schutzzeichen modern interpretieren, kann daraus ein Coolness-Faktor entstehen. So, wie Tattoos gesellschaftsfähig wurden, könnten auch Ornamente durch Design-Ikonen, Markenkooperationen und zeitgemäße Gestaltung salonfähig werden.
5. Architektur als Erzählung
Gebäude könnten – ähnlich wie früher – kleine Geschichten erzählen: Familiengeschichten, Werte, Schutzwünsche. Diese Botschaften könnten sich in Ornamenten, Lichtinstallationen oder Wandreliefs wiederfinden, sichtbar oder versteckt. In Materialkombinationen, digitale Technologien oder künstlerische Interventionen.
Zu guter Letzt
Tradition als Inspiration für die Zukunft
Symbole und Schutzzeichen erinnern uns daran, dass Architektur mehr ist als bloße Funktion. Häuser sind Lebensorte, Schutzräume und Ausdruck unseres Selbstverständnisses. Die Wiederentdeckung und zeitgemäße Integration von Zeichen und Ornamenten könnte der Architektur von heute neue Tiefe verleihen – und uns selbst stärker mit unserem Zuhause und unserer Geschichte verbinden.
Vielleicht wird die Zukunft der Architektur nicht nur durch neue Technologien geprägt, sondern auch durch eine Rückbesinnung auf das, was Häuser immer schon waren: Orte voller Bedeutung, Schutz und Schönheit.
Moderne Symbole können moderne Bauweisen und Materialien mit traditionellen Elementen, die tief in der ländlichen Volksarchitektur verwurzelt sind, vereinen. Das Ergebnis ist eine Architektur, die sowohl auf die kulturellen Wurzeln des Landes verweist als auch den Anforderungen der modernen Zeit gerecht wird.
Über den Autor:
Mag. Wolfgang Strasser ist Lebensraumberater und -coach, Unternehmens- und Kommunalberater. Mit RAUMIMPULSE berät er Menschen bei der Gestaltung ihrer Lebensräume.
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