Innovative Dämmstoffentwicklungen
Energiebewusst bauen oder energetisch sanieren sind wesentliche Aspekte jeden Bauvorhabens. Auch Förderungen hängen davon ab. Doch womit soll idealerweise gedämmt werden? Die gängigsten und günstigsten Materialien sind Polystyrol und Mineralwolle. Einige sind erdölbasiert, andere dichten die Wand ab, manche haben auch giftige Inhaltsstoffe. Naturdämmstoffe wie Hanf, Flachs oder Holzwerkstoffe sind nicht überall erhältlich und teurer. Klimawandel und umweltbedingte Belastungen drücken zudem auf Forschungsresultate. Permanent werden neue, innovative Bau- und Dämmstoffe entwickelt.
Dämmstoffe werden aufgrund ihrer ursprünglichen Materialien in zwei Hauptgruppen unterteilt: Organische Dämmstoffe aus Kohlenstoffverbindungen und anorganische Dämmstoffe, die mineralischen Ursprungs sind. Zusätzlich können diese beiden Kategorien je nach Herkunft ihrer Rohstoffe in natürliche und synthetische Materialien eingeordnet werden, sodass sich insgesamt vier Gruppen ergeben.
Seit einigen Jahren wird an alternativen Dämmstoffen geforscht. Sie sollen das Beste aus den vier Dämmstoffkategorien leisten und bauphysikalisch gut funktionieren. Biologische und ökologische Eigenschaften verstehen sich fast schon von selbst, wie auch ein wettbewerbsfähiger Preis.
11 Forschungsbeispiele
Biobasierte Platten für Wärmedämmverbundsysteme
Wärmedämmverbundsysteme werden zu annähernd 90 Prozent aus expandiertem Polystyrol (EPS) verbaut. Für nicht brennbare Systeme kommt meist Mineralwolle zum Einsatz. Alternativen aus biobasierten Materialien gibt es kaum. In dem von der Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe (FNR) geförderten Forschungsvorhaben Organopor entwickelte das Fraunhofer-Institut(LBF) ein zu EPS konkurrenzfähiges biobasiertes Hybridmaterial aus Rest- und Abfallstoffen, das auch wirtschaftlich überzeugen soll.
Dämmplatten aus Pilzen
Pilze schmecken, sind gesund und könnten bald auch als Dämmmaterial Verwendung finden. Ihr Potenzial als natürlicher Werkstoff wird derzeit vom Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (UMSICHT) erforscht. Im BioLab entwickelt Julia Krayer Verfahren, mit denen sich der unterirdisch wachsende Teil (Myzel) der Pilze zu Werkstoffen weiterverarbeiten lässt.
Dämmplatten aus Rohrkolbenblättern
Rohrkolben (Typha) sind unempfindliche, weltweit verbreitete Sumpfpflanzen. Weiches, offenzelliges Schwammgewebe füllt das faserverstärkte Stützgewebe ihrer Blätter aus. Dämmplatten aus den Blattpartikeln bieten Stabilität und einen guten Wärmeschutz. Der Baustoff ist außerdem diffusionsoffen und kapillaraktiv und sorgt damit für ein gesundes Raumklima. Die in der Sumpfpflanze enthaltenen Gerbstoffe machen die Platten beständig gegen Pilz- und Insektenbefall. Unter der Bezeichnung Typhaboard stellt Typha Technik Naturbaustoff-Dämmplatten her.
Baumrinde
Seit rund zehn Jahren beschäftigen sich Teams aus Wissenschaftler.innen aus Österreich, Rumänien und der Slowakei mit dem Einsatz von Rinde für Wärmedämmung und Schallschutz. 2021 haben Lubos Kristak, Ivan Ruziak, Eugenia Mariana Tudor, Marius C?t?lin Barbu, Günther Kain und Roman Réh die Studie Thermophysikalische Eigenschaften von Lärchenrinden-Verbundplatten veröffentlicht. In einer zweiten Studie wurden auch die Schallschutzeigenschaften untersucht.
Faculty of Wood Sciences and Technology, Technical University in Zvolen, 96001 Zvolen, Slovakia
Forest Products Technology and Timber Construction Department, Salzburg University of Applied Sciences Markt 136a, 5431 Kuchl, Austria
Faculty of Furniture Design and Wood Engineering, Transilvania University of Brasov, B-dul. Eroilor nr. 29, 500036 Brasov, Romania
Biomasse
Mit dem Dämmstoff Green Por setzt das Joma Dämmstoffwerk auf nachwachsende Rohstoffe: Das am 12.12.2023 vorgestellte Produkt besteht zum Großteil aus Biomasse und ist zu 100 % recyclingfähig. Der EPS-Hersteller der AirPor®-Dämmplatten geht damit den Weg in eine umweltbewusste Produktentwicklung.
Holzschaum
Am Fraunhofer-Institut für Holzforschung (WKI) wurde ein Schaummaterial aus nachwachsenden Rohstoffen entwickelt. Es besteht zu 100 Prozent aus Holzfasern und ist damit recycelbar. Die daraus hergestellten Platten sollen ab 2026 als Bau- und Verpackungsmaterial erhältlich sein. Bei niedrigen Dichten liegt die Wärmeleitfähigkeit bei unter 0,04 W/mK. Somit sind die Werte vergleichbar mit denen von Polystyrol und Holzfaserdämmplatten.
Sandwichplatten mit Popcornkern
Bei Kinogängern sehr beliebt, ein Leichtgewicht und einfach durch starkes Erhitzen von Maiskörnern herzustellen ist Popcorn. Doch nicht nur als süßer oder salziger Snack eignet es sich, sondern ungewürzt auch als wärmedämmender Baustoff. Auf der Suche nach einer Alternative zur relativ schweren Spanplatte haben Wissenschaftler der Uni Göttingen in einem Forschungsprojekt leichte Sandwichplatten mit einem Kern aus Puffmais entwickelt.
Aerogele
Unter Aerogelen versteht man feste, hochporöse, nanostrukturierte Materialien mit geringer Dichte und geringer Wärmeleitfähigkeit. Sie sind extrem poröse Festkörper aus Kieselsäure, die meist aus dem Grundstoff Sand gewonnen werden: Aerogele. In einem besonderen Herstellungsverfahren entsteht ein verzweigtes, offenporiges Netzwerk winziger Strukturen mit einem Porenanteil von etwa 95 %. Dank der damit entstandenen großen Oberfläche ist das Material extrem leicht und besitzt eine hohe Wärmedämmwirkung.
Ligninbasierte Aerogele
Dem Start-up aerogel-it ist es erstmals gelungen, Aerogele auf biologischer Basis herzustellen, mit für den industriellen Einsatz relevanten Eigenschaften.
Der Dämmstoff besteht zu über 90% aus Poren und zu 10% aus Lignin. Die Wärmeleitfähigkeit liegt bei 0,017-0,023 W/(m*K). Förderung des deutschen Start-Ups Aerogel-it aus Osnabrück durch die Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) und Klimainnovationspreis 2023.
Glass Bubbles
Ein interessanter Dämmstoff ist vor Kurzem in Deutschland vorgestellt worden. Die Entwickler haben mit ihren Teams ein spritzbares Dämmsystem entwickelt, das auf sogenannten Glass Bubbles basiert. Diese Hohlkugeln aus dünnstem Glas sind zwischen 10 und 200 Mikrometer groß. Sie werden in ein mineralisches Material integriert, das als Bindemittel dient. Durch die unzähligen kleinen Glaskugeln, die rund die Hälfte des Dämmstoffs ausmachen, vermag kaum Wärme durch das Material zu dringen.
Akustischer Dämmvlies aus Altkleidern
Menschen wollen modisch bekleidet sein. So wird der Berg an Altkleidern immer höher. In dem Forschungsprojekt Texcycle, einer Kooperation zwischen der Hochschule Luzern, dem schweizerischen Altkleiderverwerter Texaid und dem Unternehmen Coop wurde nach Wegen gesucht, um auch minderwertige Ausgangstextilien hochwertig zu recyceln und damit den Ressourcenkreislauf nachhaltiger zu gestalten. Dabei sind Prototypen von Garnen entstanden, aus denen sich Teppiche knüpfen lassen und Vlies, das als akustischer Dämmstoff eingesetzt werden könnte.
Zitrone, Kokosnuss und Holz
Der nachhaltige Baustoff basiert auf Birkenholz, dem Lignin (Bio-Polymere) entzogen wurde. m Anschluss erfolgt daher eine Auffüllung der offenen Holzporen mit Limonenacrylat, einem Stoff, der aus Zitronenschalen und dem Fleisch der Kokosnuss besteht. Kommt es nun zur Erwärmung von Limonenacrylat verflüssigt sich das Material und ist in der Lage Wärme zu speichern. Sinkt die Temperatur, kommt es zur Kristallisation und die Wärme wird wieder abgegeben. Mittels dieses Effekts sollen künftig in Gebäuden wertvolle Energien gespart werden.
Zu guter Letzt
Neben bahnbrechend neuen Entwicklungen haben wir immer noch die Klassiker unter den Naturdämmstoffen: Hanf, Flachs, Jute (recycelte Jutesäcke), Stroh, Holzwerkstoffe, usw. Diese aktuell zu nutzen verbessert das Raumklima durch dampfdiffusionsoffene Wände (falls der restliche Wandaufbau stimmt, Anm.), ermöglicht Werkstoff-Kreisläufe und unterstützt technologische Weiterentwicklungen.
Über den Autor:
Mag. Wolfgang Strasser ist Lebensraumberater und -coach, Unternehmens- und Kommunalberater. Mit RAUMIMPULSE berät er Menschen bei der Gestaltung ihrer Lebensräume.
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