Grabstein made in A

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Regionalität, Ökologie und Nachhaltigkeit

Wenn man früher einen Friedhof besuchte, wurde es einem sprichwörtlich schwarz um´s Herz. Heute hat ein Friedhof deutlich mehr Farbe. Während die schwarzen Granite vielfach aus Südafrika stammen, kommen die bunten Granite heute aus Indien, Brasilien oder China. Jedenfalls selten aus Österreich. Grabsteine sind meist hochglanzpoliert, selten mit wertiger handwerklicher Bearbeitung. Und auch die Einstellung zum Preis hat sich geändert. Während früher das Grabmal ein Prestigeobjekt war, sucht man heute eher günstige Lösungen mit weniger Platzbedarf. Die Entwicklung von der Erd- zu Feuerbestattungen hat das Ihre dazu beigetragen. Eine Veränderung unserer Ahnen- und Erinnerungskultur?

Schlussstein des Lebens

Besuche auf dem Friedhof sind der Rest eines einstig reichhaltigen Ahnenkultes. Von Ahnenkult sprechen wir immer dann, wenn wir durch Handlungen und/oder Gegenständen die Beziehung mit unseren direkten Vorfahren aufrecht erhalten. Dazu gehört in unserer heutigen Gesellschaft das Grabmal, an dem und durch das wir unseren Verstorbenen gedenken.

Ahnenkult ist etwas Familiäres und gehört zum größeren, allgemeinen Totenkult einer Gesellschaft. Dieser hat sich aus unserer Lebensweise bis auf sporadische Besuche auf dem Friedhof und Anzünden einer Kerze (Brandopfer) weitgehend verabschiedet – wenn ein Kontakt mit den Verstorbenen überhaupt gewünscht ist, findet er privat und rein geistig statt.

Nicht für jeden

Der Brauch, Grabmäler zu errichten, lässt sich in Europa zumindest seit der Jungsteinzeit (nach 6.000 v. Chr.) belegen. Der Menhir, ein aufrecht stehender hoher und unbehauener Stein, war der Vorläufer des Grabsteins und wurde auf oder neben den Gräbern errichtet. Nicht für jeden, der soziale Status spielte zu allen Zeiten eine gewichtige Rolle.

Spiegelbild der Gesellschaft

Was folgte, könnte man als Kunstgeschichte des Grabmales bezeichnen. Sie ist Teil der umfassenden Sepulkralkultur (lat. sepulcrum, „Grab[lege]“) und Ausdruck der Totenkultur einer Gesellschaft. Je nach gesellschaftlicher Ausdrucksform und Priorität war sie stets Veränderungen unterworfen. Ein Spiegelbild der Gesellschaft also?

Babylonische Sprachverwirrung

„Orion“, „Impala“, „Paradiso“ sind einige bizzar klingenden Handelsnamen der typischen Steine für die Grabmale auf unseren Friedhöfen. Dass diese Steine eine Reise um die halbe Welt hinter sich haben, bevor sie auf dem Grab des geliebten Verstorbenen aufgestellt werden, ist nur wenigen Menschen bewusst.

Belastend wie ihr Gewicht

Über 80 Prozent der (Grab-)Steine kommen aus Indien, China, Südafrika und Brasilien. Stein ist schwer: mit der Schiffsreise zu uns haben sie aus ökologischer Sicht bereits hohe Umweltlasten erzeugt. Der CO2-Fußabdruck von aus Übersee importierten Steinen ist etwa 60mal höher, als der von Steinen, die aus Österreich stammen.

Günstige Preise

Trotz langer Reise mit hohen Transportkosten und schlechter Ökobilanz sind diese Steine extrem günstig. Das asiatische Rohmaterial wird ebenso billig geliefert wie die Handarbeit der indischen oder chinesischen Arbeiter in den Herkunftsländern. Schöne und wertvolle Natursteine verkommen so zu Billigprodukten.

Niedrige Sozialstandards

Die günstigen Preise sind oft auf unsoziale Arbeitsbedingungen in den Herkunftsländern zurück zu führen. Sie entsprechen kaum den internationalen Arbeits- und Sozialstandards, die in den ILO-Konventionen festgelegt sind. Ihre Einhaltung wird von den Zertifizierungsorganisationen „Xertifix“, „Fairstone“ und „IGEP“ geprüft – wenn sie können.

Keine Anbindung an das Land

Importiere Steine haben keine Anbindung an das Land. Wir schon. Was könnte also unsere Erinnerungskultur besser unterstützen, als die Materialien der Region, in die wir hineingeboren und geprägt wurden? Mit Steinen aus Übersee fördern wir eine Entfremdung. Sie spiegeln uns eine Entwicklung, die auch in vielen anderen Lebensbereichen vonstatten geht.

Eine neue Anbindung

Aus diesen Gründen stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, die Steine um den halben Globus zu transportieren? Nachdem in den letzten Jahrzehnten nahezu kritiklos Steine aus aller Herren Länder auf unsere Friedhöfe gestellt wurden, sollte allmählich ein (Um-)Denken erfolgen.

Heimische Natursteine

Die Ausrede „wir haben ja keinen einheimischen Stein“ lasse ich nicht gelten. Jede Region, wie das Mühlviertel, das Ennstal oder das Südburgenland, hat Anteil an einer oder auch mehreren geologischen Regionen. Und in jeder Region gibt es Steinbrüche, in denen wunderbare Steine abgebaut werden.

auch aus Schotterbrüchen

Es gibt viele Werksteinbrüche, aber noch mehr Steinbrüche, in denen Schotter und Gartenbaustoffe gewonnen werden. Dabei fallen auch große Steine an, die für Grabmäler geeignet sind. Und es gibt viele Steinmetze, die auch solche regionalen Steine gerne verarbeiten.

Friedhöfe mit Heimatcharakter

Stellen sie sich vor, unsere Friedhöfe würden statt der indischen, chinesischen, südafrikanischen und brasilianischen Steinwüsten einheimische Steine aus der Region beherbergen. Mit handwerklicher Bearbeitung unserer heimischen Steinmetze. Und persönlich und symbolhaft abgestimmt auf die Familie oder den Menschen in der Grablege. Unglaublich!

Umweltschutz und Nachhaltigkeit

Mit dem Material Naturstein verarbeitet der Steinmetz ein grundsätzlich umweltverträgliches und nachhaltiges Naturprodukt – wenn es sich um ein Material aus der Region handelt. Steine sind mineralisch und nicht nachwachsend, klar. Aber beide gelten als baubiologisch. Die Frage ist halt immer die gleiche: wie und mit welchen Mitteln wird abgebaut, transportiert und verarbeitet.

Eine gute Gestaltung

Viele ‚Grabsteinmetze‘ sind tatsächlich zu reinen Händlern geworden, was sich überdeutlich im monotonen Erscheinungsbild der Friedhöfe offenbart. Es sind keine gestalterischen Ansätze bei den überseeischen Industriesteinen erkennbar. Ökonomische Aspekte stehen im Vordergrund. Und eine ‚unverwechselbare Farbigkeit‘ durch eine nie endende Politur.

Eine neue Generation

Eine neue Generation junger Steinmetze und Steinmetzinnen kommt seit einigen Jahren in die Betriebe. Sie beherrschen den Entwurf, der dann von CNC-Bearbeitungszentren realisiert wird. Aber sie wollen darüber hinaus wieder handwerklich und künstlerisch gestalten und anfertigen. Ganz persönlich und indiviuell.

Personalisierte Materialwahl

Es gibt nicht nur heimischen Stein. Auch Holz, Glas, Metall und andere Materialien können regionalen Ursprungs sein. Jedenfalls sind es Naturmaterialien, die einen Stein sehr sinnig ergänzen können. Die Materialauswahl in Bezug zum Beruf des Verstorbenen oder der Familientradition führt vielleicht zu einem stimmigeren Grabmal, als nur gestalterische Aspekte.

Gegen eine Vergessenskultur

Als Einzelgräber bezeichnen wir Grabmäler für Einzelpersonen. Sie werden in der Regel von der übernächsten Generation wieder aufgelassen. Eine Ahnenarbeit über Generationen hinweg ist so nicht möglich. Kolumbarien mit Urnennischen verdeutlichen diese Vergessenskultur, noch deutlicher die Anonymbestattungen.

Für eine Erinnerungskultur

Was wir wieder mehr brauchen, ist eine gelebte Erinnerungskultur. Vermehrtes Interesse für Familienforschungen und Hauschroniken zeigen einen Trend. Dazu brauchen wir auch die Familiengräber, die über Generationen gepflegt werden. Familien-Kolumbarien, besser noch Familien-Urnenstelen, wären ein guter neuer Ansatz dazu.

Steinrecycling

Was passiert, wenn ein Stein nicht mehr gebraucht wird? Die Ressource Naturstein wurde leider noch zuwenig erkannt. Klar, Stein lässt sich problemlos deponieren. Aber als Wegwerfprodukt ist Naturstein viel zu wertvoll. Grabmalrecycling wird von vielen Steinmetzen praktiziert, ist aber in der Gesellschaft noch nicht wirklich angekommen.

Zum Schluss:

Warten sie drei Tage mit der Erdbestattung bzw. der Verbrennung des/der Verstorbenen. Es ist die Zeit, die wir zum Sterben brauchen. Sie sollte gewährt werden, auch uns selbst zum Verabschieden. Die alten Bräuche der Aufbahrung und der Totenwache zeugen davon.

Über den Autor:

Mag. Wolfgang Strasser ist Lebensraumberater und -coach, Unternehmens- und Kommunalberater. Mit RAUMIMPULSE berät er Menschen bei der Gestaltung ihrer Lebensräume.

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Mag. Wolfgang Strasser
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