Gegenderte Räume

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Wem gehören Wirtschafts- und Werkraum?

Der Wirtschaftsraum gehört der Frau, der Werkraum gehört dem Mann. So erlebt man es in vielen Haushalten. Doch ist dieses Konzept räumlicher Aneignung immer noch aktuell? Oder braucht es für geschlechterspezifische Aneignungen von Raumnutzung eine Gender-Diskussion? In diesem Blog möchte ich mich am Beispiel von Wirtschafts- und Werkraum diesem Thema nähern und untersuchen, wieweit uns auch traditionelle Konzepte der Raumenergetik Hilfestellung bieten können.

Wenn wir Räume und Raumlandschaften genauer ansehen, sehen wir, dass sie soziale Beziehungen sowohl reflektieren als auch konstituieren, einschließlich geschlechtlicher Identität und Geschlechter­rollen. Die Entwicklung der jüngeren Zeit zeigt uns am Beispiel von Wirtschaftsraum und Werkraum dass sie nicht mehr nur geschlechtsspezifische Arbeitsräume für Wäsche und Reparatur sind, sondern erweiterte Funktionen für Hauswirtschaft und Haustechnik, Ver- und Entsorgung von Wohnung und Haus, Hobby und Freizeit von Frau und Mann erfüllen. Dies bei gleichzeitig sich verändernden Rollen und Aufgabenverteilungen im Haushalt. Welchen Einfluss auf Funktionalität und Gestaltung der Räume hat dies zur Folge?

„Mann und Frau waschen Wäsche in einem Bach“, aus William Henry Pyne’s Microcosm, 1806.

Nebenräume im Haus

Wirtschafts- und Werkraum werden bei der Planung meist vernachlässigt und kommen zum Schluss. Sie werden oft nur beim Neubau mitgedacht, manchmal erst im Nachgang gemacht, in Wohnungen aus Platz­gründen meist gar nicht. Aber wenn sie dann doch den Weg auf den Grundrissplan finden, rücken sie vom Keller in das Erdgeschoss. Und werden neuerdings auch allerlei Geschlechts genutzt.

Der Wirtschaftsraum

Was ist eigentlich aus der guten alten Waschküche geworden? Noch vor nicht allzu langer Zeit war eine Waschküche im Keller eines Hauses obligatorisch. Seitdem ist nicht nur der Begriff der Wasch­küche, sondern auch der Raum an sich aus der Mode gekommen. Doch immer mehr entdecken, welche Vorzüge ein gut geplanter Wirtschaftsraum hat. Nicht mehr im Keller, dafür gut erreichbar zwischen Eingang, Speis und Küche.

Der Werkraum

Ein Werkraum ist notwendigerweise meist in Häusern zu finden. Im Keller neben dem Lagerraum oder vergesellschaftet mit der Garage. Manchmal auch mit der Funktion des Geräteraumes für den Garten. In Wohnungen gab´s weniger Platz, da musste meist ein Schrank genügen. Wenn handwerkliche Arbeit aber zum Hobby und doch mehr Platz benötigt wurde, übernahm das Kellerabteil diese Funktion.

Raumprägungen

Räumliche Aneignung

Öffentliche und private Räume werden von Männern und Frauen unterschiedliche genutzt und angeeignet. Galt der öffentliche Raum als die Sphäre des Mannes, so der private Raum, insbesondere die Küche, als das ‚Reich‘ der Frau. Auch wenn sich diese Sphärentrennung in den letzten 100 Jahren verändert hat, bleibt die geschlechtliche Codierung von Räumen ein wichtiges Thema der Soziologie. Und natürlich auch der Raumenergetik, denn räumliche Aneignung hat spezifische Prägung zur Folge.

Primäre Raumqualität

Neben der Diskussion um räumliche Aneignung und damit geschlechtsspezifische Prägung von Räumen gibt es auch so etwas wie primäre Eigenschaften. Entsprechend ihrer Funktion kann man Räume in aktive oder passive Räume unterschieden. Als aktiv bezeichnet man Räume der Arbeit, als passiv bezeichnet man Räume des Rückzugs. Die Funktionsfähigkeit dieser Grundqualität wird von der Lage im Haus- und Wohnungsgrundriss beeinflusst.

Sekundäre Raumqualität

Die räumliche Aneignung hat meist eine geschlechtsspezifische Prägung der Räume zur Folge. Damit ist einerseits die Gestaltung der Räume gemeint, die deutlich männlich oder weiblich sein kann. Andererseits auch die „Energie“ in den Räumen. Damit ist die Lebensenergie der hauptsächlichen Nutzer.innen gemeint, auch deren verbrauchte Lebensenergie, die sich in den Materialien im Raum anlagert.

Raumprinzipien

Basis der Raumqualitäten sind die Qualitäten der Lebensenergie. Diese folgen universellen Prinzipien, die man kennen sollte, um Raumqualitäten zu versehen. Ein kleiner Ausschnitt daraus:

Polarität als Prinzip

Yin und Yang bezeichnen im Daoismus polar aufeinander bezogene Prinzipien. Diese mit weiblich und männlich zu übersetzen, ist eine sprachliche Näherung, aber keine hinreichende Beschreibung. Sich allein auf den Bedeutungsaspekt von Weiblichkeit und Männlichkeit zu beschränken, greift zu kurz, da Yin und Yang für weitaus mehr Begriffspaare verwendet werden können. Vielmehr stehen beide Begriffe für ein polares Paar, das den Begriffen „gebend“ (auch aktiv, konvex) und „empfangend“ (auch passiv, konkav) entspricht. Das Verhältnis von Yin und Yang ist nicht als dual zu bezeichnen, wie der Gegensatz von Gut und Böse – sondern als polar wie Minus- und Pluspol eines Magneten.

Bewegung als Prinzip

Yin und Yang bezeichnen „Gegensätze“ in ihrer wechselseitigen Bezogenheit als eine Gesamtheit, einen ewigen Kreislauf. Daher können sie zur Erklärung von Wandlungsvorgängen und Prozessen und zur Darstellung der gegenseitigen Begrenzung und Wiederkehr von Dingen benutzt werden.

Yin und Yang steigen und sinken immer abwechselnd. Nach einer Hochphase des Yang folgt zwingend ein Absinken von Yang und ein Ansteigen von Yin und umgekehrt. Yin und Yang können nicht gleichzeitig ansteigen oder absinken. Wenn Yang sich vergrößert, verringert sich Yin und umgekehrt. Wenn die Bewegung ihr Ende erreicht, so wird sie still, und diese Stille erzeugt Yin. Wenn diese Stille ihr Ende erreicht, dann geht sie wieder in Bewegung über. Die Bewegung erzeugt Yang. So haben wir abwechselnd bald Bewegung, bald Ruhe.

Harmonie als Prinzip

Jeder Raum hat weibliche und männliche Anteile. Wie alle und alles auf dieser Erde. Harmonie kann nicht bedeuten, dass ein Raum 100% Yang, 100% Yin oder 50% Yang / 50 % Yin ist. Alle diese Varianten würden Stillstand und in der Folge den Tod bedeuten. Harmonie bedeutet, im Fluss zu sein. Und Balance definiert sich aus der Funktion heraus. Ein Yang-Raum sollte 60% Yang / 40% Yin haben, ein Yin-Raum umgekehrt.

Analogie als Prinzip

Um diese gesunde Balance zu finden, sollte man die Unterschiede kennen. Zuerst bei sich selbst. Welche weiblichen und welche männlichen Anteile habe ich? Erst dann kann ich an die Planung und Gestaltung gehen. So wie innen, so außen. Der Ausgleich zwischen Yin und Yang bringt die Verhältnisse ins Gleichgewicht. Meistens sind es die weiblichen Energien, die der Beachtung, Wertschätzung, Integration und Heilung bedürfen.

Multifunktionsräume

Ort der häuslichen Arbeit

Im Wirtschaftsraum wird alles untergebracht, was für die Haus­wirtschaft nötig ist. Meistens gibt es auch eine Zweitgarderobe für saisonalen Wechsel und vor allem viel Stauraum. Aber nicht nur die Versorgung der Kleidung, auch die Funktionsfähigkeit der Wohnung oder des Hauses müssen räumlich gewährleistet sein. Im Werkraum oder im multifunktionalen Wirtschaftraum.

Ort der familiären Versorgung

Wenn genug Platz da ist, wird meist noch ein Kühl- oder Gefrierschrank eingebaut. Und Vorräte gelagert, wenn der Vorratsraum bzw. die Spies zu klein ist oder gar fehlt. Wenn ein Garten bewirtschaftet wird, braucht es einen Arbeitsraum mit Wasserinstallation für die Aufbereitung von Saat und Ernte. Mit einer Anordnung des Raumes zwischen Küche und Küchengarten.

Ort für Freizeit und Hobby

Im Wirtschaftsraum werden auch Utensilien für Sport und Hobby verstaut. Das macht auch Sinn, denn die Garderobe im Flur wird meist zu klein für die Aufbewahrung nichttäglicher Ausrüstungen. Und wie wir wissen: Ordnung ist das halbe Leben! Gleiches gilt für den Werkraum, wo handwerkliche Leidenschaften ausgelebt werden können.

Wohlfühlräume

Ordnung

Der Wirtschafts- und Werkraum sind aktive Räume. Und wo viel los ist, kann auch schnell Unordnung entstehen. Das bedeutet, dass hier besonders auf Ordnung und Sauberkeit geachtet werden muss. Andererseits sollen die Räume aufgewertet und auch gemütlich gestaltet werden. Die gute Nachricht: der Spagat zwischen Ordnung und Gemütlichkeit ist machbar!

Feuchtigkeit

In Räumen, wo Wasser im Einsatz ist, entsteht viel Luftfeuchtigkeit. Ähnlich wie im Badezimmer soll auf eine ausreichende Belüftung geachtet werden. Mit dem richtigen Lüftungsverhalten kann Kondenswasser und folglich feuchtes Mauerwerk weitgehend vermieden und Schimmelbildung hintangehalten werden.

Helligkeit

Für die Arbeiten in Arbeitsräumen braucht es meist gute Tageslichtqualität. Wenn dafür LED-Leuchtmittel eingesetzt werden, erkundigen Sie sich nach Bio-LED oder Öko-LED. Damit tun Sie sich etwas Gutes, vor allem bei abendlicher Arbeit.

Farbe

Vergessen Sie nie, bei der Gestaltung der Arbeitsräume ihren Stil hinzuzufügen. Farbe, Muster und Textur können einen großen Unterschied darin machen, wie gerne Sie die Räume nutzen. Und ob Sie durch die Räume förmlich ermüdet oder doch ermuntert werden.

Einrichtung

Wirtschafts- und Werkraum sind unterschätzte Räume. Sie sind Arbeitsräume und damit ein Dauer­aufent­halts­­­plätze. Und für Daueraufenthaltsplätze, wie Bett, Schreibtisch oder andere Arbeitsplätze, an denen wir uns sehr lange aufhalten, gelten strengere Maßstäbe – vor allem aus biologischer und energetischer Sicht.

Wohlfühlen

Wo viel und lange gearbeitet wird, sollte man sich auch wohlfühlen können. Denn wo wir uns wohlfühlen, da halten wir uns deutlich lieber auf. Das ist in unsere betrieblichen Arbeitsräume noch nicht immer durchgedrungen. Aber zuhause können wir es uns richten. Optisch mit den richtigen Wandfarben, akustisch mit guter Musik oder olfaktorisch mit einem guten Duft.

Gendern zum Schluss:

Es ist eine gute Sache, wenn sich Frauen in Werkräumen und Männer in Wirtschaftsräumen engagieren und wohl fühlen. Die Arbeiten und damit auch die Arbeitsräume partnerschaftlich angehen. Manchmal will Frau aber „ihr Reich“ und Mann „sein Reich“, wie sie sich entfalten können und niemand dreinredet. Ob das ein Grundbedürfnis ist oder eine notwenige Kompensation, könnte man sich genauer anschauen. Jedenfalls respektieren und miteinplanen.

Über den Autor:

Mag. Wolfgang Strasser ist Lebensraumberater und -coach, Unternehmens- und Kommunalberater. Mit RAUMIMPULSE berät er Menschen über die Gestaltung ihrer Lebensräume.

RAUMIMPULSE

Mag. Wolfgang Strasser
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