Alle Räume haben eines gemeinsam: Sie können objektiv gestaltet werden und sie können subjektiv erlebt und erfahren werden. Beide Ebenen spielen bei der Gestaltung eines Raumes eine entscheidende Rolle. Atmosphären, Stimmungen und Gefühle beeinflussen dabei die Art und Weise, wie wir Räume wahrnehmen und wie Räume auf uns wirken. In Wohn- oder Geschäftsräumen braucht dies nicht dem Zufall überlassen bleiben, sondern kann aktiv gestaltet werden.
Der in einem Raum eintretende Mensch mit seinen Befindlichkeiten geht mit dem gestimmten oder geladenen Raum in Resonanz. Dabei werden Emotionen angesprochen und Gefühle ausgelöst. Gefühle können oft räumlich werden. Jeder kennt das aus dem Fußballstadion, wo sich Begeisterung wohl am deutlichsten als räumliche Atmosphäre manifestiert, die dem Menschen auch entgegentreten und ihn anstecken können. Auch klimatische Atmosphären haben oft selbst einen emotionalen Zug. Die Frühlingsstimmung ist wie räumlich ergossen, sie ist ein messbares meteorologisches Phänomen und hat zugleich eine emotionale Qualität.
Das Wort wird (außerhalb der Physik) häufig aus Verlegenheit verwendet, denn es bezeichnet etwas Diffuses, Unbestimmtes. Sie scheint nebelhaft den Raum mit einem Gefühlston zu erfüllen. Man weiß nicht recht, was Atmosphäre ist und woher sie kommt – vom Ort, den verwendeten Materialien, den Gegenständen im Raum oder den Menschen selber, der die Atmosphäre erfährt. Die Antwort ist einfach wie komplex – Atmosphäre entsteht aus allem Genannten.
In diesem Artikel möchte ich eine Brücke schlagen zwischen dem naturwissenschaftlichen und dem philosophischen Begriff Atmosphäre. Ich möchte beschreiben, wie Atmosphäre funktioniert und was das mit Raumgestaltung zu tun hat.
Die Natur von Atmosphären
Atmosphären sind räumlicher Natur und, wie Dunst und Hauch, flüchtige Phänomene. So können sie sich aus Farben, Formen oder Materialien konstituieren, doch bleiben sie in gewisser Weise immer diffus. Diese wagen Beschreibungen rühren auch daher, weil Aspekte des Lebens und der Lebendigkeit (noch) nicht mit in die Betrachtung einbezogen werden.
Atmosphäre ist die spürbare und wahrnehmbare Eigenlebendigkeit eines jeden Ortes, Raumes, Materiales und Gegenstandes. Wie die physische Atmosphäre die Erde umgibt, so ist auch jeder Ort und jedes Ding von der jeweils eigenen Atmosphäre eingehüllt. Und sie entsteht auch durch den Menschen. Alle mentalen und emotionalen Abdrücke des Menschen im Raum werden von den umgebenden Materialien gespeichert und färben die Atmosphäre.
Wir können uns Atmosphären nicht entziehen, sie sind allgegenwärtig und überall präsent. Sie erzeugen Stimmungen, mit denen wir in Resonanz gehen. Ob und wie hängt auch von der eigenen Gestimmtheit ab. Sie können bloß wahrgenommen oder leiblich gespürt werden. Damit werden Gefühle ausgelöst, die unsere Entscheidungen beeinflussen und uns zu bestimmten Handlungen veranlassen. Sie üben eine gewisse Macht auf uns aus, denn sie operieren im Sinnlichen und greifen im Unbewussten an. Atmosphären und Stimmungen werden so zum Bindeglied zwischen dem objektiv geometrischen Raum und dem subjektiv erlebten Raum, zwischen dem gestimmten Raum und der Stimmung des Menschen im Raum.
Die Wahrnehmung von Atmosphären
Nun klingt es fast widersprüchlich, dass Umwelten wie Landschaft, Architektur oder Innenraum von den meisten Menschen atmosphärisch in ähnlicher Weise erfahren werden. Auch bei subjektivem Erleben zeigen sich Atmosphären als objektive Gegebenheiten. Die Resonanz zwischen dem gestimmten Raum und der Stimmung des Menschen scheint prinzipiellen Gesetzmäßigkeiten zu folgen. Man kann auch von einer Reproduzierbarkeit von Gefühlen durch die Gestaltung von Atmosphären sprechen. Das erleichtert die Erstellung von Gestaltungskonzepten, erfordert aber auch das Wissen über deren Gesetzmäßigkeiten.
Die Gestaltung von Atmosphären
Das eigentliche Thema der Gestaltung eines Praxisraumes ist der gestimmte Raum. Atmospheric Design wird zur vielversprechenden Methode. Für die Gestaltung von Räumen und deren Übergänge, aber auch als Gestaltungsmittel interaktiver Prozesse. Es kann im Sinne des ursprünglichen Verständnisses von „Design“ als Einheit von implizitem Gehalt und expliziter Gestalt verstanden werden.
Ortsqualität
Atmosphäre entsteht zuerst aus der Ortsqualität, dem „Genius Loci“. Es ist etwas Eigenständiges, von Betrachter und Gestalter unabhängig. Es braucht zuerst die Prüfung, ob ein Ort geeignet ist für eine bestimmte räumliche Zweckwidmung. Erst wenn diese Frage positiv beantwortet werden kann, folgt der Einbezug der ortsspezifischen Atmosphäre in die Gestaltung, um ihre Wirkung weiter zu entfalten. Ein Dagegenarbeiten zeigt wenig Erfolg und führt meist zu schlechten Ergebnissen.
Materialqualität
Wie Orte haben auch Materialien und Gegenstände ihre Eigenqualität und Eigenlebendigkeit. Es macht einen Unterschied, ob wir Kiefer oder Lärche verwenden, Leder oder Schafwolle. Ihre Komposition im Raum ergibt eine wiederum eigene Gesamtatmosphäre. Durch Einbezug sinnlicher Materialeigenschaften, wie Struktur, Textur oder Oberfläche, kann je nach Verwendungszweck des Raumes eine Gestaltungsstrategie entwickelt werden.
Elementequalität
Die vier Elemente Erde, Wasser, Feuer und Luft haben ihre jeweils typischen Wirkungen auf den Menschen. Sie können durch Einbezug in die Architektur und Raumgestaltung aktiv genutzt werden. Der Zusammenhang mit Atmosphäre liegt darin begründet, dass die elementaren Qualitäten Varianten des Äthers sind, der uns umgebenden Lebensenergie. Atmosphäre ist Lebensenergie.
Vitalqualität
Es braucht diese Lebensenergie, um Lebenskraft, Vitalität und Lebensfreude zu erhalten. Und es braucht einen achtsamen Umgang, damit sie nicht verloren geht. Die Nutzung von Ankerpunkten und Kraftplätzen und deren Verbindungen sind hilfreich, ebenso wie Symbole als Bindeglieder von äußerer und innerer Wahrnehmung.
Gestaltqualität
Sehr effektiv sind Gestaltungselemente, die prinzipiellen Gesetzmäßigkeiten folgen, wie Resonanz und Anziehung, Polarität und Spannung, Rhythmus und Schwingung, Kreislauf und Zyklus, Entsprechung und Analogie, Ursache und Wirkung. Wir kennen sie aus unterschiedlichen Lebensbereichen, wenden sie aber kaum mehr bewusst in der Architektur und Raumgestaltung an.
Archetypen dagegen sind Spiegel der Lebensraumgestalt, egal ob sie bewusst eingesetzt wurden oder nicht. Ihr Fehlen wirkt ebenso wie ihr Dasein. Die Mitte ist das wohl wichtigste Element. Aber auch die Leere, Grenzen und Durchgänge, Schwellen und Übergänge, Raumelemente, Prozessstufen, Ortszonen und Bereichsfelder prägen Orts- und Raumlandschaften.
Sinnliche Wirkung und Sinnlichkeit kann durch eine Gestaltung im menschlichen Maßstab und durch Berücksichtigung von Maß und Zahl sowie von Harmonik und Proportion hergestellt werden. Wir kennen den Goldenen Schnitt als ein Beispiel, das uns die Natur in vielfältiger Weise vorlebt.
Gestimmte und geladene Räume
Die Wechselwirkung zwischen vom Raum bereitgestellter Atmosphäre und leiblichen Erleben oder sinnlichen Wahrnehmen der Atmosphäre erzeugt Stimmung. Wir sprechen von gestimmten oder geladenen Räumen. Dies heißt aber auch, dass wir Räume stimmen oder aufladen können.
Stimmen und Aufladen von Räumen
Stimmung kann durch Licht und Farbe, Klang und Musik, Duft, Temperatur und Feuchtigkeit hergestellt werden. Aber Stimmung ist launenhaft und flüchtig. Sie hängt davon ab, wie und welche Menschen den Raum zeitlich vor dem Betreten des Kunden genutzt haben, ebenso wie die Gestimmtheit des Kunden beim Betreten des Raumes ausgeprägt ist. Eine spontane Anpassung an den Kunden ist wünschenswert
Reinigen von Räumen
Es ist also nicht nur die Gestaltung und die Art der Zusammenstellung dieser Umgebung von Bedeutung, sondern auch der pflegliche Umgang damit, wie ein Raum gestimmt ist und sich auf die Stimmung der Nutzer auswirkt. Tägliche atmosphärische Reinigung ist ebenso erforderlich, wie spontan nach einem atmosphärischen Eintrag z.B. durch Stress und Streit. Denn der nächste Nutzer wird diese Stimmung wahrnehmen!
Unterstützende Materialkonzepte
Jedes menschliche Tun hinterlässt seine Spuren. Wir kennen das vom Räuchern. Dies gilt vor allem für Räume, die sehr stark belebt sind. Jeder Mensch hinterlässt seine Spuren, die sich in den Materialien festsetzen. Es braucht regelmäßige Reinigung. Man kann sich das Leben aber erleichtern, wenn wir schon vorher die richtigen Materialien auswählen.
Atmosphäre als Haltung und Einladung
Die Gestaltung räumlicher Atmosphären verleitet schnell zu einer monokausalen Zuschreibung von physischen Raumeigenschaften zu individuellen Erlebnisräumen. Rot an der Wand ist aber nicht immer rot im Erleben! Wichtiger ist die Sensibilität für eine gemeinsame Atmosphäre in Wohnungen und Büros. Nur wenn die Stimmungen der Menschen, getragen von einer gemeinsamen Atmosphäre, in Resonanz gehen, kann im gebauten Raum auch der erlebte Raum seine Wirkung entfalten.
RAUMIMPULSE
Mag. Wolfgang Strasser
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